16 Tage Wahnsinn & Glück - Das erste Mal Wiesnbedienung | Weiden24

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vor 3 Tagen
Die ehemalige Weidenerin Tamara war diess Jahr zum ersten Mal Bedienung auf dem Oktoberfest. (Bild: exb)
Die ehemalige Weidenerin Tamara war diess Jahr zum ersten Mal Bedienung auf dem Oktoberfest. (Bild: exb)
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Die ehemalige Weidenerin Tamara war diess Jahr zum ersten Mal Bedienung auf dem Oktoberfest. (Bild: exb)

16 Tage Wahnsinn & Glück - Das erste Mal Wiesnbedienung

Für Tamara, 34, ehemalige Weidenerin, war es das erste Oktoberfest als Bedienung – für sie die härtesten, aber erfüllendsten 16 Tage ihres Jahres.

Denk dran: Es wird nur einmal die erste Wiesn für dich geben, versuch alles aufzunehmen – auch das Drumherum“, hat Tamara den Rat ihres Mannes im Kopf, als sie an ihrem ersten Tag, gegen halb acht über die menschenleere Zeltlandschaft läuft. Noch liegt Ruhe über der Theresienwiese. Die Bierzelte glänzen im frühen Sonnenlicht, Holzböden sind frisch gewischt, Bänke akkurat aufgereiht. Keine Baustellen, keine Lastwägen oder Aufbaugeräte sind noch zu sehen. Nur die letzten Handgriffe und Kontrollgänge werden gemacht. Tamara atmet tief durch, für sie ist es eine Achterbahnfahrt der Gefühle. „Da realisiert man erst richtig, dass es jetzt wirklich losgeht. Allein da war ich schon stolz, obwohl ich noch gar nichts gemacht hatte“, erinnert sie sich lachend.

Anstich mit Adrenalin

Dann geht es auch schon Schlag auf Schlag: Die Türen öffnen sich, und binnen Sekunden stürmen Menschenmassen durch alle Eingänge auf die Theresienwiese. „Das kann man sich nicht vorstellen, das ist so verrückt“, sagt Tamara. Das zuvor leere Marstallzelt verwandelt sich in ein brodelndes Meer aus Stimmen, Lachen, verschiedensten Gerüchen und Musik. Auch der Biergarten füllt sich schnell.

Schon der erste Tag gehört zu ihren Highlights: Als alle Bedienungen von draußen bis zur Bühne Spalier stehen, während die Festwirte nach dem Umzug ins Zelt einziehen, die Kapelle das erste Lied anstimmt und das erste Fass angezapft wird, bekommt Tamara Gänsehaut. „Ich hatte Herzklopfen und war einfach nur stolz. In dem Moment wusste ich: Jetzt bin ich wirklich Teil davon. Die Wiesn hat begonnen.“ Mit jahrelanger Gastro-Erfahrung meistert sie den Start trotz Aufregung ruhig und konzentriert. „Man findet dann trotzdem schnell in seine Routine.“

Bons und Teamgeist

Gemeinsam mit zwei Kollegen bedient sie als Team einen Bereich des Biergartens. An ihrem Dirndl hat sie mehrere Klammern für die Bons – jede einzelne mit klarer Funktion: an einer klemmen offene Bons für die Schenke, an der anderen Bons für die Küche und links sind, die Zettel befestigt, die noch kassiert werden müssen. So behält sie auch in hektischen Momenten den Überblick.

In ihrem Dreier-Team wechseln sie sich ab: einer ist am Gast, einer für die Getränke und einer für die Speisen zuständig. „Man muss sich zu 100 Prozent auf seine Kollegen verlassen können, anders geht’s nicht“, sagt Tamara. Was sie dabei besonders beeindruckt, ist der Zusammenhalt unter den einzelnen Bedienungsteams. Etwas untypisch zum oft konkurrenzbestimmten Treiben in der Gastronomie helfen sich die vier Biergarten-Teams untereinander und wachsen schnell als kleine Familie zusammen.

„Ich habe selten ein so warmherziges, offenes und kollegiales Verhältnis zu Kollegen gehabt, wie da auf der Wiesn.“ Es wird sich gegenseitig geholfen, Apothekenbestände ausgetauscht und gemeinsam gefrühstückt. Die Stimmung untereinander ist herzlich, freudig und durchweg positiv – genau das ist es, was Tamara am meisten an diesem Job liebt.

Auch was das Geld betrifft, relativiert sie die Erwartungen: Zwar verdient man als Wiesn-Bedienung gut, doch der Lohn ist hart erarbeitet. „Das ‚Es hat sich gelohnt‘ beziehe ich nicht auf die Summe, sondern darauf, dass ich die 16 Tage geschafft habe, und dabei Spaß hatte. Das Geld allein kann nicht der Ansporn sein.“

Von früh bis spät

Ihre Vorbereitung: kein Hanteltraining, sondern Yoga. „Da bekommst du Kraft, Stabilität und mentale Stärke. Ich hatte nie Zweifel, dass ich’s körperlich nicht schaffe.“ Blasenpflaster, Magnesium und Bandagen für die Handgelenke gehören trotzdem zur Grundausstattung – kleine Helfer für lange Tage.

Die Arbeit auf der Wiesn ist in mancher Hinsicht mit einem Marathon zu vergleichen: Von der ersten Maß Bier, die sie trägt, bis zu den letzten Tellern und zum Aufräumen – stundenlanges Laufen, schwere Lasten stemmen, die Kräfte einteilen und gleichzeitig alles im Blick behalten. „Realistisch schaffe ich zehn, elf Maß pro Gang – zwölf geht, aber das machst du keine 16 Tage am Stück“, erklärt sie lachend.

Es gibt keine Schichtarbeit, die Servicekräfte sind von früh bis spät im Einsatz. Pausen sind eher spontan, wenn es passt – aber da wird dann bewusst Pause gemacht. Oft reicht ein schneller Happen von zu Hause oder etwas auf die Hand. Die freie Zeit nutzt sie lieber, um selbst durch das Oktoberfest zu schlendern, Eindrücke aufzusaugen und die Wiesn abseits der Arbeits-Bubble zu erleben. „Man ist zwar immer mittendrin, aber das ist dann schon nochmal etwas anderes.“

Die Anforderungen sind hoch. Vor allem die mentale Stärke ist für viele oft eine Herausforderung, weiß sie. „Ab Tag zehn, elf, zwölf ist’s dann nicht mehr der Körper, der kämpft, sondern der Kopf“, erzählt sie. Schlafmangel, Reizüberflutung, kaum geregelte Mahlzeiten – und trotzdem: „Ich war jeden Tag glücklich, dass ich das machen darf.“

Bewerben und Spicken

Tamaras Weg auf das Oktoberfest beginnt Monate vorher. Schon ab November im jeweiligen Vorjahr öffnen die Festwirte die Bewerbungsportale für alle Interessierten. „Die Bewerbung läuft wie bei jedem Job: Lebenslauf, vielleicht ein kleines Motivationsschreiben und wenn das passt, hat man ein Vorstellungsgespräch beim Festwirt“, erklärt sie. Ihr Tipp: gleich als Team bewerben – das steigert die Chancen erheblich. „Wir haben uns zu dritt beworben, und es hat sofort gepasst.“

Für die Qualifikation zählt nicht vorrangig Erfahrung in der Gastronomie, sondern das Zwischenmenschliche, die Einstellung, Persönlichkeit und Erwartungshaltung. Natürlich ist aber auch körperliche Fitness und die Fähigkeit, Ruhe zu bewahren, eine gute Voraussetzung. Preise und Menüs müssen die Bedienungen vorher nicht auswendig lernen – es kann aber helfen. Sie verrät außerdem: Für die ersten Tage helfen kleine Spickzettel, bis alles sitzt.

Zwischen Yoga und Wiesn

Wenn Tamara nicht als Bedienungen im Einsatz ist, steht sie meist barfuß auf der Yogamatte. Hauptberuflich ist sie Yogalehrerin, nebenbei arbeitet sie in Teilzeit in Münchens bekanntestem Biergarten, dem Hirschgarten. „Ich bin ein Gastrokind“, erzählt sie. „Meine Mama hatte früher ein eigenes Restaurant, ich war schon immer mittendrin.“ Als sie nach München zog, wollte sie den Kontakt zur Gastronomie nicht ganz verlieren – und jedes Jahr, wenn sie als Besucherin auf dem Oktoberfest ist, denkt sie: Eines Tages mache ich das auch.

Der entscheidende Moment kommt durch einen Freund, der sich als Wiesn-Bedienung bewerben will. „Das war der finale Schubs. Ab da wurde es ernst“, schildert Tamara. „Wir haben uns zu dritt beworben, ganz normal mit Lebenslauf und Gespräch beim Festwirt. Ich bin sowieso der Typ: Ich nehme es, wie es kommt – und diesmal habe ich einfach Ja gesagt und das freut mich wahnsinnig.“

Dass sie im Marstallzelt landet, ist kein Zufall: „Das Zelt hat einfach was Besonderes – vom Publikum bis zur Stimmung. Wir wussten sofort, dass wir nur dahin wollen.“ Ihren ersten Wiesn-Einsatz beginnt sie im Biergarten – so will es das ungeschriebene Gesetz: Wer neu ist, startet draußen.

Beim Thema Kleidung und Ausstattung schwört Tamara auf ihr spezielles Modell Doc Martens. „Ich wurde so oft drauf angesprochen! Die sind einfach so bequem - mit denen war ich auch schon auf dem Machu Picchu.“ Eine Thermohose darunter, wenn es kühl wird, und Ersatzblusen im Spind – Sie ist gerne auf alle Eventualitäten vorbereitet.

Ihre Erlebnisse hält sie auch auf Instagram fest, teilt Eindrücke aus dem Wiesn-Alltag mit ihren Followern: „Für mich ist das wie ein Tagebuch – ich halte da für mich selbst alles für später mal fest und ich habe schnell gemerkt, dass da viel Interesse ist.“

Momente, die bleiben

Zwischen all der Arbeit liegen die Momente, die man nicht vergisst: etwa die Begegnung mit einer Dame, die ihr nicht nur das schönste Kompliment für ihre Person und ihren Service macht, sondern ihr auch noch spontan ihre Sonnenbrille schenkt. „Solche Gesten sind unbezahlbar – das nimmt man mit nach Hause. Immer wenn ich jetzt die Brille anschaue, habe ich nur schöne Erinnerungen.“

Oder der Gast aus Sydney, der extra eine Woche Urlaub genommen hat, um die Wiesn zu erleben. Ihm gibt Tamara direkt Tipps für ein rundum gelungenes Oktoberfesterlebnis. Und dann gibt es die verrückten Momente, die man nicht plant: wie der, an dem plötzlich Arnold Schwarzenegger neben ihr steht und freundlich grüßt. „Solche Sachen passieren einfach auf der Wiesn. Es ist wie eine eigene Welt.“

Ein schwerer Abschied

Der letzte Abend ist ein Höhepunkt der Emotionen: Alle Bedienungen stehen Arm in Arm, sie tragen Leuchtarmbänder und die Band spielt den Abschlusssong. „Wir standen im Kreis, haben mitgesungen, alle haben geweint. Es war pure Erleichterung, Stolz, Freude. Die Band hat uns Bedienungen extra erwähnt, und das ganze Zelt hat geklatscht. Da fällt einfach alles von dir ab.“ Es ist ein Mix aus Freude und Trauer, dass es vorbei ist. „Das vergeht dann doch plötzlich ganz schnell.“

Nach dem letzten Song, nach der letzten Maß, kommt die Stille. „Ich war am nächsten Tag krank, komplett ausgepowert. Plötzlich ist alles ruhig, und du merkst, was die letzten 16 Tage mit dir gemacht haben.“ Trotzdem steht für Tamara fest: Das war nicht ihr letztes Mal. „Ich würde es jederzeit wieder machen – es war mein absolutes Highlight des Jahres.“ Nächstes Jahr möchte sie unbedingt wieder dabei sein – diesmal dann vielleicht sogar im Zelt.

Und für alle, die überlegen, es selbst zu versuchen, hat sie einen klaren Rat: „Nicht überlegen, machen! Aber mit der richtigen Einstellung. Du musst den Job lieben – dann bekommst du so viel zurück.“

Tamaras Wiesn-Highlights

  • Dein Lieblings-Trachtentrend?
    Generell sind die Klupperla ein absolutes Must-have: sich beschriftete Wäscheklammern machen zu lassen ist traditionell, individuell und super süß. Kleidungstechnisch waren sehr viele in Cowboy Boots unterwegs und die wunderschönen geflochtenen Haarreife mochte ich auch sehr.
  • Must -do auf der Wiesn?
    Teufelsrad! Auf jeden Fall.
  • Der schönste Moment jeder Schicht?
    Immer der Moment, in dem die Musik anfängt.
  • Dein schönstes Erlebnis mit einem Gast?
    Eine Dame meinte, sie war so happy mit meinem Service, mit mir als Mensch – sie
    hätte selten jemanden getroffen, der so herzlich, offen und gleichzeitig so laut und extrovertiert bedient wie ich. Sie sagte: „Du machst so einen krassen Job und ich
    hoffe, du weißt das.“

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