Sie lebt Abenteuer, die andere nur im Kopfkino erleben. Ob in Neuseeland, Island oder auf einem Klettersteig – sie sucht Orte, die nicht jeder erreicht, und Momente, die größer sind als jeder Filter. Ihr Blick durch die Kamera: magisch.
LEO hat mit der 36-Jährigen Steffi Juretzka alias steffi.outbound aus Weiden über Freiheit, Fotografie und den Mut gesprochen, einfach loszuziehen.
Neuseeland war 2017 dein Einstieg in die Fotografie – was hat dich damals so überwältigt, dass du zur Kamera gegriffen hast?
Grundsätzlich war es die ganze Art des Reisens. Mein Mann und ich hatten einen uralten Mitsubishi Minivan, hatten eine grobe Reiseroute geplant und wussten, wann wir wieder am Flughafen sein müssen. Die Landschaft war einfach der Wahnsinn – auf der Nordseite „Mordor“ aus „Der Herr der Ringe“ oder die Glühwürmchenhöhle und im Süden der Strand. Wir waren 24/7 draußen und man hatte einfach das Gefühl, dass ist so schön, das muss man festhalten und der Familie daheim zeigen – es für alle spürbar machen. Mein Mann meinte kurz vor unserer einmonatigen Reise, dass er uns noch schnell eine Kamera kauft. Wir hatten keine Ahnung, wie das Fotografieren funktioniert. Wir dachten, man drückt auf den Auslöser und dann klappt das schon. Und wenn man die Fotos von damals sieht und mit denen von heute vergleicht, ist es Wahnsinn, wie sehr man sich entwickelt hat. Man merkt das währenddessen nicht – es ist ein Prozess.
Erinnerst du dich an das erste Foto, das für dich mehr als ein Schnappschuss war – und dich nicht mehr von der Fotografie losgelassen hat?
Es gab garnicht so das eine Ereignis oder Foto. Ganz am Anfang war es auch nicht so, dass ich gesagt habe, ich geh los, um das perfekte Foto zu schießen. Die Kamera war einfach dabei. Aber jetzt ist es natürlich schon eher so, dass ich das Foto aktiv plane. Gucke, wann Sonnenaufgang oder -untergang ist, wann Vollmond ist oder die Lichtstimmung generell gut. Man wächst da rein.
Wie kam es dazu, dass du so viel von deinen Reisen auf Instagram teilst?
Als wir von Neuseeland zurück gekommen sind, habe ich angefangen, die Fotos zu posten. Dabei war es nie mein Ziel, das auf Instagram so zu betreiben, wie es jetzt ist. Aber irgendwann kam eins zum anderen und dann haben sich auch die Reiseziele verändert. Neuseeland war der Startschuss von unseren Vanlife- und Outdoor-Leben, wie es heute ist. Aus „faul am Strand liegen“ wurde „ich steh in der Früh um 3 Uhr auf und wander auf den Berg zum Sonnenaufgang“. Damals haben wir auch noch in München gewohnt und sind ab dem Zeitpunkt öfter zum Wandern gegangen und hatten dabei auch immer die Kamera dabei.
Ich bin auch niemand, der die Wanderung begleitet oder die Route zeigt, sondern die Momente und Lichtstimmung. Ich möchte das Spezielle und Unique einfangen. Und das ist am Ende nicht der perfekte blaue Himmel, sondern, wenn die Wolken tief hängen oder sich um die Berge schlingen. Diese Momente sind einmalig und die versuche ich festzuhalten. Irgendwann kamen die ersten Anfragen für Kooperationen und ein paar Marken sind seither meine Langzeitpartner.
Wie würdest du deinen Fotografie-Stil benennen? Was zeichnet ihn aus?
Ich freue mich immer über moody Lichtstimmungen und dreamy Momente. Am liebsten Fotografiere ich zum Sonnenauf- oder -untergang, wenn es diese speziellen Stimmungen gibt. Der Sonnenaufgang ist oft noch spannender: Du läufst im Dunkeln los und hast am Ende so gar keine Ahnung, was dich erwartet. Wird es gut oder ein Schuss in den Ofen und du stehst im Nebel und siehst garnichts. Bei mir sind es auch immer die Berge, die mitmischen und die ich am liebsten fotografiere.
Was siehst du heute in der Natur, was dir früher nie aufgefallen wäre?
Unfassbar viel! Ich sage auch ganz oft zu meinem Mann, wenn wir im Auto wo hinfahren: Siehst du, wie die Wolke da hängt? Oder als ich letztens mit meiner besten Freundin in den Dolomiten unterwegs war und wir auf der Berghütte saßen: Siehst du, wie das Licht auf die Spitze oder durchs Fenster fällt? Ich liebe es, mit dem Tele-Objekt zu fotografieren, weil ich da die Details einfangen kann. Mir war früher auch nie bewusst, dass der Herbst so unfassbar bunt ist, und was das Licht mit Formen und Strukturen macht. Wie weich etwas aussehen und wie klar etwas sein kann. Auch im Alltag im Café oder vor meinem Laptop daheim, wenn das Licht reinfällt und es ein Schattenspiel an der Wand ergibt, denke ich mir, das könnte ich jetzt fotografieren. Es juckt mir dann einfach in den Fingern.
Fast 50.000 Menschen folgen dir auf Instagram. Wie gehst du damit um, dass dein Leben für andere zur Inspiration wird?
Ich find´s mega, wenn man eine Person motivieren kann, weniger Screentime zu haben, mehr in die Natur raus zu gehen. Es müssen ja nicht immer hohe Berge sein, hier im Wald ist es auch super schön. Ich liebe es auch, wenn man jemanden ein bisschen zum Träumen abholen kann. Oft wischt man nur super schnell über die Posts, aber vielleicht bleibt der ein oder andere hängen und denkt sich was ganz eigenes dazu. Es muss auch garnicht immer sein, dass man die Leute inspiriert, da hin zu gehen. Ganz im Gegenteil: Ich möchte auch nicht jeden Ort markieren. Gerade in den Dolomiten ist es ja sehr überlaufen. Da hat man auch ein bisschen Verantwortung in dem Bereich, finde ich. Deshalb liegt mein Fokus auf Instagram nicht auf dem Teilen der Planung oder der Routen, sondern auf den Momenten und Bildern.
Eins deiner Bilder ziert seit Juni 2025 das Cover eines National-Geographic-Buchs – was ging dir durch den Kopf, als du davon erfahren hast?
Man freut sich immer, wenn die Bilder nicht nur auf der Festplatte rumliegen oder auf Social Media drüber gewischt wird, sondern, wenn sie zum Leben erweckt werden. Das Bild ist auf unserer Hochzeitsreise entstanden – da waren wir fünf Wochen mit dem Camper in Norwegen unterwegs. Wir hatten unseren Schlafrhythmus komplett umgestellt. Sind abends um 22 Uhr auf den Berg gestiegen und haben dort die Nächte bei perfekten Licht verbracht – um 4 Uhr in der Früh ging es dann meistens zurück zum Camper zum Schlafen.
Gibt es „unperfekte“ Momente, die dir manchmal wichtiger sind als das perfekte Bild?
Ja, auf jeden Fall. Dieses Jahr habe ich zum Beispiel einen Hochtourenkurs mit meinen Mann und Freunden gemacht – da ging es viel um Technik. Ich hatte zwar meine Kamera dabei, aber am Ende ist es die Zeit draußen, die mir wichtig ist. Ich bin in den Bergen und das holt mich aus meinem Alltag raus. Ich liebe es, dann auch komplett abzuschalten und einfach nur im Moment zu sein. Aber klar, wenn was passiert – also Sonnenauf- oder -untergang – kann ich meine Kamera nicht in der Tasche lassen. Ansonsten genieße ich die Zeit und die Gespräche mit Freunden. Das ist eine ganz andere Qualitytime. Diese Erlebnisse verbinde ich aber dann auch mit meinen Bildern. Und der beste Moment ist sowieso am Ende den Kaiserschmarren zusammen zu genießen. Das ist wichtiger als das perfekte Foto.
Hast du manchmal Druck, ständig etwas Neues, Spektakuläres zu posten?
Ganz im Gegenteil – ich habe so viele Bilder, die auf meiner Festplatte rumliegen. Bei mir ist es eher der Drang, neue Momente zu finden, die ich fotografieren kann. Mir geht es garnicht ums Posten, sondern ums Fotografieren, weil die Momente mir so viel geben.
Du warst schon in so vielen Ländern – unter anderem im Rahmen eurer einjährigen Weltreise. Welcher Ort hat dich am meisten überrascht?
Patagonien! Das war auch einer meiner Herzensorte und das sag ich auch immer wieder, wenn ich die Fotos sehe. Vor allem die Kulisse mit dem Fitz Roy im Hintergrund – es ist Wahnsinn davor zu stehen und das mit eigenen Augen zu sehen. Da habe ich auch meinen Heiratsantrag bekommen.
Gibt es einen Ort, der dich so sehr gefordert hat, dass du am liebsten umgedreht wärst – aber froh bist, dass du geblieben bist?
Während unserer Weltreise war Peru schon das Land, das mich am meisten gefordert hat, weil es so ganz anders war, als das, was man bisher kannte – die Infrastruktur, die Straßen, ... Wir waren dort während der Corona-Pandemie. Auf den Straßen war Maskenpflicht und wir waren zusätzlich noch drei Wochen in einem Bergort auf 3000 Höhenmetern – da war die Luft eh schon dünn. Unser Reiseleiter, den wir auf Facebook gefunden hatten, hatte einen uralten Toyota, mit dem wir die krassesten Schotterstraßen gefahren sind. Ich dachte, wir kommen nicht mehr zurück ins Hostel. Überall waren Straßenhunde und die Leute da haben einfach ein so anderes Leben, als man es kennt. Das war die most challenging Etappe während der Weltreise, die einem nochmal gezeigt hat, wie gut wir es hier haben.
Gibt es ein Reiseziel, das du dir noch offen hältst, weil es sich wie „zu groß“ anfühlt?
Ich würde gern irgendwann noch in die Antarktis oder Grönland. Da bin ich aber ein bisschen im Zwiespalt, ob man das machen sollte. Diese Ziele werden ja auch immer beliebter – aber sollte man die Natur da nicht noch mehr Natur sein lassen? Ein Resümee unserer Weltreise ist aber auch, wie schön wir es in Europa haben. Man muss garnicht so weit weg.