Sie ist schön. Erfolgreich. Willensstark. Die 29-Jährige lebt ihren Traum, für den sie mehr als zehn Jahre hart gearbeitet hat. Sie ist Model und arbeitet für international bekannte Marken. Heute lebt sie in der Fashion-Metropole New York.
Im Interview erzählt Laura Scharnagl von ihrer Zeit in Hongkong, skurrilen Jobs und warum es wichtig ist, ein „sehr dickes Fell“ zu haben.
Laufstege, Shootings für bekannte Marken – war das dein Traum, als du 2012 bei GNTM teilgenommen hast?
Absolut nicht. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, wann ich die Entscheidung getroffen habe, Model werden zu wollen. Seit ich zwölf Jahre alt bin, bin ich 1,77 Meter groß. Meine Tante hat mir immer wieder gesagt, dass ich es doch mit dem Modeln versuchen sollte, weil ich viele Voraussetzungen mitbringen würde. Aber erst durch die Sendung „Germany’s Next Topmodel“ hat es mich wirklich interessiert. Ich wollte es versuchen. Als ich mich angemeldet habe, habe ich überhaupt nicht damit gerechnet, dass ich weiterkomme – geschweige denn, wirklich einmal Model werde. Aber es hat geklappt.
Du bist bei GNTM unter die Top 10 gekommen ...
… ich habe schon während der Sendung gemerkt, dass ich das Modeln hauptberuflich machen will. Das Laufstegtraining, die Shootings, das hat mir Spaß gemacht. Auch die Bestätigung von Starfotografen wie Kristian Schuller hat mir gezeigt: Das ist ein Weg, den ich gehen will. Erst durch die Sendung habe ich meine große Leidenschaft entdeckt und gemerkt, dass ich das Potenzial dazu habe. Für meine spätere Karriere war die Teilnahme aber kontraproduktiv. Ich habe danach oft gehört: Wir wollen keine Reality-Stars, keine ehemaligen GNTM-Teilnehmerinnen. Deshalb habe ich meine Modelmappe umsortiert und bin ohne diesen GNTM-Stempel zu Castings gegangen. Das hat geholfen, denn plötzlich habe ich sehr viele Jobs bekommen.
Wie ist es nach der Sendung für dich weitergegangen?
Ich bin wieder zurück an die FOS in Weiden und habe mein Abitur gemacht. Darauf habe ich meinen Fokus gelegt. Keine halben Sachen. Nebenbei habe ich einige Modeljobs innerhalb von Deutschland gemacht. Damals war ich bei der Agentur von Heidi Klums Vater unter Vertrag. Das war üblich, wenn man an der Sendung teilgenommen hat und weit gekommen ist. Allerdings hatte sich diese Agentur vor allem auf Events und rote Teppiche fokussiert. Ich wollte in die High Fashion. Deshalb habe ich den Vertrag nach meinem Abitur gelöst, bin nach Berlin gegangen und dort hat mich eine andere Agentur unter Vertrag genommen … und die hat mich dann in die Welt hinausgeschickt (lacht). Eine gute Agentur ist wichtig, weil sie einen Überblick über den Markt hat und einem die richtigen Kunden vermittelt. Die Branche ist nicht einfach und nicht jeder meint es gut mit einem. Ich habe schnell gemerkt, dass der deutsche Markt für mich nicht profitabel ist. Welcher Typ Model gesucht wird, ist immer abhängig von der jeweiligen Saison – und das sind eben nicht immer schlanke, blonde Frauen. Ich habe unter anderem in Istanbul und Mailand gearbeitet.
2017 bist du nach Hongkong gezogen. Warum Asien?
Asien war für mich als Model extrem profitabel. Eigentlich wollte mich meine Agentur nach Peking schicken. Damals hat aber mein bester Freund in Hongkong gelebt. Als ich ihn für zwei Wochen besucht habe, habe ich mich in diese Stadt verliebt. Also bin ich geblieben – für vier Jahre. Ich hatte viele Aufträge, es war eine gute Zeit.
Wie ist es dir gelungen dort Fuß zu fassen?
Beruflich war es leicht, weil ich auch vor Ort eine Agentur hatte, die mir Castings und Shootings vermittelt hat. Bei den Terminen habe ich viele Menschen kennengelernt und mir so ein Netz - werk aufgebaut. In Hongkong sprechen fast alle Englisch, also war die Sprache auch kein Problem. Gleichzeitig war mein bester Freund bei mir, wodurch ich viele Deutsche kennengelernt habe. Und ich habe mit vielen Models zusammengearbeitet. Uns hat viel verbunden: das gleiche Ziel, die gleichen Herausforderungen, das schweißt zusammen. So habe ich mir schnell ein gutes berufliches und soziales Umfeld aufgebaut.
Ist dein Leben als Model luxuriös?
Definitiv nicht (lacht). Man sieht in den Medien dieses eine Prozent an Topmodels, beispielsweise Gigi Hadid, Kendall Jenner oder Heidi Klum, die natürlich im Luxus leben. Die bedeutende Kampagnen shooten, tolle Reisen machen und Millionen verdienen. Aber die „Arbeitsklasse der Models“ ist davon weit entfernt. Viele leben in kleinen Model-WGs und rennen von Casting zu Casting, um finanziell überleben zu können. Natürlich lernt man wichtige Menschen kennen und ist auch manch - mal auf dem roten Teppich, aber das ist nur ein kleiner Teil. Der Großteil ist harte Arbeit ohne jeglichen Luxus.
Für welche bekannten Marken modelst du?
Ich habe unter anderem für Michael Kors, Bobbi Brown und L’Oréal gearbeitet. Ich wollte immer ein High-Fashion-Model sein. Auf den Laufstegen der Welt. Für die bedeutendsten Designer der Modeindustrie laufen. Das habe ich sehr geliebt. Auch Shootings erfüllen mich, vor allem, wenn sie kreativ sind. Da ich jetzt aber nicht mehr so dünn sein kann und auch nicht mehr sein will, habe ich im Bereich High-Fashion kaum noch Chancen. Deshalb gehe ich jetzt eher in die konventionelle Richtung. Das bedeutet, dass ich neben den Fotoshootings auch Werbespots drehe, wodurch ich auch ein wenig zur Schauspielerei gekommen bin.
Wie groß ist der Druck, einen dünnen Körper zu haben?
Auf dem Laufsteg ist er extrem groß. Vor allem die großen französischen und italienischen Marken wollen: dünn und groß. Ich erfülle mit meiner Größe gerade so die Mindestanforderung. Und auch, wenn es immer mehr Marken gibt, die Wert auf Individualität und Vielfalt legen, ist der Druck, sehr dünn zu sein, enorm. Ich habe viele Mädels erlebt, die das in eine Essstörung gestürzt hat. Oft ist es ohne kaum möglich, den Ansprüchen gerecht zu werden. Das ist bei mir zum Glück nie passiert, weil ich nie so versessen auf den Erfolg war. Natürlich habe ich auf meine Figur geachtet, aber auf gesunde Weise. Mir sind zwei besondere Druck-Situationen in Erinnerung geblieben. Ich habe mich für einen Laufstegjob beworben. Ich hätte ihn bekommen, wenn ich zugesagt hätte, dass ich zwei Wochen vorher nichts mehr esse. Diesen Job habe ich natürlich abgelehnt. In Mailand wurde mir geraten, mir zwei Rippen entfernen zu lassen, um eine dünnere Taille zu bekommen. Das muss man sich vorstellen: Eine schwere OP für ein paar Zentimeter weniger. Aber ich bin mir immer treu geblieben und habe mich auf so etwas nie eingelassen.
Ein häufiges Klischee: Models müssen nur gut aussehen. Was braucht es dazu noch?
Neben dem Aussehen muss man hart im Nehmen sein. Man geht zu 100 Castings und bekommt vielleicht zwei Jobs. Ablehnung und Zurückweisung gehören zum Alltag. Ich habe gelernt, dass man ein extrem gutes Selbstbewusstsein und ein dickes Fell braucht. Da bin ich sehr dankbar, dass ich Oberpfälzerin bin, denn mein Fell war schon immer dick (lacht). Auch meine Familie steht hinter mir. Für meine Eltern hat nie nur mein Aussehen gezählt. Ihnen ist wichtig, dass ich meinen Weg gehe, egal wie dieser aussieht. So konnte ich mich selbst entwickeln. Heute weiß ich, dass mich so viel mehr definiert als mein Aussehen.
Gleichzeitig studierst du …
… ich will ein zweites Standbein haben. Ich kann nicht mein ganzes Leben lang als Model arbeiten, also brauche ich für die Zeit danach etwas anderes, das mir Spaß macht. Ich habe das Fernstudium Medien- und Kommunikationsmanagement angefangen, als ich schon in Hongkong gelebt habe. Dieses Studium ist perfekt, denn es lässt sich gut mit dem Modeln kombinieren. Außerdem hilft es mir bei meiner Arbeit mit Social Media und dem Umgang mit Medien. Aktuell mache ich meinen Master.
Im September 2021 bist du nach New York gezogen – dein großer Traum …
… und mein größtes Ziel. Wie für viele andere Models auch. New York ist eine der Fashion-Hauptstädte. Lange dachte ich, dass ich es dort nicht schaffen werde. Deshalb bin ich auch so lange in Asien geblieben. Ich wollte mein Portfolio aufbauen, um bei den New Yorker Agenturen überzeugen zu können.
Wie muss man sich dein Leben dort vorstellen?
Gerade packe ich meinen Koffer aus, weil ich am Wochenende in Miami bei der Formel 1 war. Später habe ich noch ein Casting, morgen einen Termin in meiner Agentur und nebenbei lerne ich für die Uni. An anderen Tagen habe ich Shootings. Einen festen Tagesablauf habe ich nicht. Es kann jederzeit sein, dass ich einen spontanen Termin habe. Ich lebe mit einer meiner besten Freundinnen in einer WG. Alleine wäre eine Wohnung unbezahlbar. New York ist unglaublich teuer und nicht immer ergattert man einen Job. Es gibt Phasen, da wird man oft gebucht und Phasen, in denen es über Wochen überhaupt nicht funktioniert. Aber New York ist meine absolute Traumstadt. Es gibt so viel zu entdecken und zu erleben. Das kann auch sehr überwältigend sein. Ich muss sagen: Mein Kulturschock war nicht Hongkong, sondern die USA. Amerikaner sind absolute Individualisten. Jeder will besser, schneller und stärker sein, wodurch der gesellschaftliche Druck groß ist. Manchmal muss ich immer noch kämpfen, um von dieser Welt nicht verschluckt zu werden. In diesen Phasen fliege ich dann nach Hause zu meiner Familie, das erdet mich.
Erinnerst du dich an das skurrilste Erlebnis, den tollsten Moment?
Einmal stand ich als Ausstellungspuppe im Shop von Versace in Hongkong und begrüßte die Kunden. Die anderen Models und ich wurden stundenlang als lebende Puppen gebucht. In Asien habe ich viele verrückte Dinge erlebt. Einer der tollsten Momente war, bei GNTM mit dem Starfotografen Kristian Schuller zusammenarbeiten zu dürfen. Ein unglaublich kreativer Mensch. Mein Highlight ist natürlich auch, dass ich es nach New York geschafft habe.
Hongkong, New York … fehlt dir die Oberpfalz?
Natürlich. Vor allem meine Familie, der ich für all die Unterstützung unendlich dankbar bin. Gleichzeitig fehlt mir die Ruhe in der Oberpfalz. Wenn ich zu Hause bei meinen Eltern bin, habe ich immer das Gefühl, die Zeit vergeht viel langsamer. Auch mein Herzschlag wird langsamer und ich fühle mich ausgeglichen. Kein Trubel, keine Hektik – dafür viel Natur. Und ich vermisse die direkte Oberpfälzer Art. Ich habe in den USA oft erlebt, dass einem Honig ums Maul geschmiert und dann hintenrum schlecht geredet wird. Da schätze ich die ehrliche Oberpfälzer Art. Wenn man ein Problem hat, dann sagt man das deutlich. Deshalb können manche Amerikaner mit meiner Art nicht umgehen, weil ich ehrlich und deutlich bin.
Welche Pläne hast du für die Zukunft?
Ich genieße gerade die Zeit, in der ich nicht weiß, wie meine Zukunft aussehen wird. Ich habe in den vergangenen zwölf Jahren darauf hingearbeitet, mich als Model zu beweisen und nach New York zu ziehen. Das habe ich geschafft und lebe im Jetzt. Ich bin gespannt, was ich noch alles erleben werde.