Dylan Chase (10) hat das Skateboarden für sich entdeckt | Weiden24

arrow_back_rounded
Lesefortschritt
Dylan Chase.  (Bild: mcl)
Dylan Chase. (Bild: mcl)
Dylan Chase. (Bild: mcl)
cancel
info
Dylan Chase. (Bild: mcl)

Dylan Chase (10) hat das Skateboarden für sich entdeckt

Dylan Chase ist gerade mal 10 Jahre alt und hat als jüngster Teilnehmer am Skatecontest 2023 in Weiden teilgenommen.

Auf seinem weißen Helm kleben Sticker. Vorne, hinten, an der Seite – kleine und große. Sie sind bunt, ein paar von ihnen wurden schon heruntergeknibbelt. Unter dem Helm kleben Dylan Chase' Haare an der Stirn. Er schwitzt. Sein Gesicht ist blass, nur die Wangen sind rot von der Hitze. Auf beiden Ellenbogen und auf den Knien trägt er schwarze Schoner. Er zupft sie zurecht.

Die Mittagssonne knallt auf den hellen Asphalt des Skateparks gegenüber des Jugendzentrums in Weiden. Es ist Ende Mai, es ist heiß. Doch den Beteiligten macht das nichts aus. Denn auf dem Skateplatz findet an diesem Samstag ein Skatecontest statt, den das Jugendzentrum zusammen mit dem Skitch Skateshop aus Grafenwöhr organisiert. In vier Kategorien stellen Skater*innen ihr Können unter Beweis.

Seit 10 Uhr morgens ist die Anmeldung geöffnet. In der Gruppe D, der Teilnehmenden bis 14 Jahren, gibt es nur eine Anmeldung. Die von Dylan. Kurzerhand entscheiden die Verantwortlichen, die Gruppe zu streichen und Dylan bei den 15- bis 18-Jährigen mitfahren zu lassen. „Wir haben damit schon gerechnet, dass es da nicht so viele Anmeldungen geben wird”, sagt Florian Graf vom Jugendzentrum. Das sei im vergangenen Jahr, beim ersten Skatecontest im neuen Skatepark, auch schon so gewesen.

Die Zeit vor dem Start der ersten Gruppe nutzen die Skater*innen, um sich aufzuwärmen. Mittendrin ist auch Dylan. Er trägt als einziger einen Helm und die Schoner, alle anderen Teilnehmer*innen stehen ohne auf ihren Brettern. Manche sogar oberkörperfrei, nur eine Cap auf dem Kopf zum Schutz vor der Sonne.

Sie flitzen über den Asphalt, holen Anlauf, springen auf das Brett und mit dem Brett auf eine montierte Stange. Sie gleiten über sie, halten das Gleichgewicht und verlieren es dann doch bei der Landung. Ein Sturz. Sie rappeln sich auf, nehmen ihr Brett in die Hand und lachen. Hinfallen und Aufstehen scheint zum Skateboarden dazuzugehören. Keiner ist verletzt. Hier und da ein blauer Fleck. Mehr nicht.

Von Charkiw nach Weiden

Dylan schaut ihnen begeistert zu. Er fährt auf gerader Strecke, traut sich hin und wieder mal einen kleinen Sprung auf dem Boden. Ab und an nutzt er auch eine kleine Rampe, fährt sie hoch, steht auf seinem Skateboard fast waagerecht auf der Rampe und fährt sanft wieder runter. Noch traut er sich nicht mehr zu.

Dylan ist erst 10 Jahre alt und steht erst seit zwei Monaten auf dem Brett. „Er spielt Hockey und er fährt auf Rollschuhen. Er sagte, er möchte auch mal Skateboard fahren ausprobieren”, erzählt Jason Chase, Dylans Vater.

Ursprünglich kommt Jason Chase aus Colorado in den USA. Dort hat er während des Studiums seine Frau Olga kennengelernt. Vor zwölf Jahren wanderten sie in die Ukraine aus, in die Heimat von Olga. Charkiw. Eine Stadt, die unter dem russischen Krieg gegen die Ukraine stark gelitten hat. Dort kamen ihre Kinder zur Welt.

Dylan ist das älteste Kind von Olga und Jason. Zum Schutz ihrer Kinder entschieden sie sich, ihre Heimat zu verlassen und suchten im Dezember 2022 Zuflucht in Weiden. Sie sprechen Englisch und Ukrainisch, Dylan spricht auch schon ein wenig Deutsch.

Kurz vor 12 Uhr. Gleich starten die 15- bis 18-Jährigen – und Dylan. Alle geben nochmal Gas, trainieren, fahren, machen Tricks. Doch Dylan schnappt sich sein Skateboard und steuert auf die aufgebauten Tische und Bänke unter den Bäumen, wo seine Eltern sitzen, zu. Er zeigt auf seinen Fuß. Jason Chase legt Dylans Bein auf seinen Schoß und zieht den Schuh aus. Dylans Augen sind geschlossen, er verzieht sein Gesicht. Schmerzen.

Sein Vater stellt ihm Fragen, immer wieder blickt er besorgt von Dylans Bein in Dylans Gesicht. Dylan schaut nach vorne. Er lässt kurz den Kopf hängen. Gleich sollte er doch beim Run mitmachen, ob das noch was wird? Jason redet ihm gut zu, das werde schon. Das Bein sieht in Ordnung aus, nichts blutet. „Ich bestärke ihn immer darin, nicht aufzugeben, wenn er mal hinfällt.”

Im Skatepark haben sich viele Zuschauende eingefunden. Ein DJ legt auf, er spielt unter anderem den Song „Heaven Is a Halfpipe” von OPM, eine echte Skaterhymne. Auf einem Gerüst nimmt die vierköpfige Jury Platz. Sie bewerten die Skatenden in den Punkten Kreativität, Nutzen des Parks, Schwierigkeit der Tricks, Style und Geschwindigkeit.

Dylan ist als Allererster dran. Er hat eine Minute Zeit. Das Publikum feuert ihn an und applaudiert. Dylan fährt durch den Park, mal auf eine Rampe, mal auf gerader Strecke. Ab und an gerät Dylan ins Stocken, steigt von Brett ab. Auch hier hilft ihm das Publikum mit Applaus. Doch er verliert Zeit. Kurz weiß er nicht mehr, welche Tricks er noch zeigen soll. Zum Schluss präsentiert Dylan die Abfahrt von der großen, hohen Rampe. Die Minute ist herum.

Preise gewinnen

Dylan ist nicht zufrieden: „Am Anfang war ich sehr aufgeregt. Ich kann es eigentlich besser, als das, was ich gezeigt hab.” Seine Hoffnung: Beim zweiten Run dabei sein und die Tricks zeigen, die ihm beim ersten Durchgang nicht gelungen sind. Dylans Eltern blicken immer wieder stolz in seine Richtung. „Dir wurde so laut applaudiert, das ist toll”, sagt Olga. Jason sieht es ähnlich: „Ich sehe hier viele Jugendliche, die unter 14 Jahren sind, die sich nicht trauen teilzunehmen.” Vielleicht aus Angst, vielleicht, weil sie denken, sie seien nicht gut genug.

Dylan hatte aber eine andere Motivation: „Ich hab gesehen, dass es da Preise zu gewinnen gibt.” Für seinen Vater war es wichtig, dass er erlebt, wie es ist, Teil eines Wettbewerbs zu sein. „Natürlich gibt es auch Preise, aber es geht darum, einfach teilzunehmen. In der Skate-Community wird einem immer geholfen und man wird supportet.”

Und auch das hat Dylan direkt gespürt: „Da war ein Junge, ich weiß seinen Namen nicht. Er hatte schwarze Haare. Er hat mir mit ein paar Tricks geholfen. Ich kann jetzt von der großen Rampe herunterfahren, das konnte ich vorher nicht.” Sein schüchterner Blick verwandelt sich in ein Lächeln.

Dylan darf auch am zweiten Durchgang teilnehmen. Man merkt, wie seine Anspannung nachlässt. Diesmal steigt er nicht mehr so oft vom Brett ab, er traut sich in den Pool (in den Boden eingelassene Becken im Skatepark) und nutzt die Minute mit jeder Menge Tricks aus. Die Menge klatscht, auch die älteren Jungs und Mädels applaudieren Dylan. Er lächelt.

Zeitsprung: Es ist 18 Uhr, so langsam verschwindet die goldene Sonne hinter den Bäumen. Im Skatepark findet die Preisverleihung statt. Zwar reicht es für Dylan nicht ganz auf das Treppchen in der Gruppe der 15- bis 18-Jährigen, doch er grinst. In seiner linken Hand hält er ein brandneues Skateboard, in seiner rechten Hand eine vollgepackte Tüte mit Skatezubehör. Die Preise, für die Dylan auch mitgemacht hat. Es hat sich also gelohnt.

north