Mathe ist ätzend, Physik nervt und Informatik kapiert doch eh niemand? Als Mädchen brauchst du in einem technischen Beruf doch gleich gar nicht anfangen … Solche Vorurteile gibt es überall und immer noch. Leider.
Die Ambergerin Susanne Lettner kämpft dagegen an. Sie ist Leiterin Marketing und Kommunikation bei der Nationalen Initiative „MINT Zukunft schaffen!“ und engagiert sich für einen höheren Stellenwert von MINT-Bildung und MINT-Berufen in Schule und Gesellschaft. Im Interview erzählt sie, was sie antreibt.
Susanne Lettner: MINT-Fächer (also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) stehen in der Schule oft nicht ganz vorne auf der Beliebtheits-Rangliste – vor allem auch bei Mädchen nicht. Woran liegt das?
Die geringere Beliebtheit von MINT-Fächern, insbesondere bei Mädchen, ist ein komplexes Thema, das sich aus einer Vielzahl von Faktoren zusammensetzt. Soziale Normen und Stereotype spielen dabei eine entscheidende Rolle.
Traditionell werden Mädchen mit fürsorglichen Berufen und den Geisteswissenschaften assoziiert. Dieser stereotype Blick führt dazu, dass Mädchen sich weniger mit MINT-Fächern identifizieren und ihre Fähigkeiten in diesen Bereichen unterschätzen. Ein weiterer Grund liegt in der fehlenden Identifikation mit weiblichen Vorbildern. Wenn Mädchen kaum Frauen in MINT-Berufen sehen, die als Role Models dienen könnten, fällt es ihnen schwer, sich selbst in diesen Rollen vorzustellen.
Auch die Unterrichtsgestaltung trägt zur geringen Beliebtheit bei. Oft fehlt es an Praxisbezug, Experimente und praktische Aufgaben werden vernachlässigt und komplexe Themen werden nicht immer anschaulich vermittelt. Dies führt dazu, dass MINT-Fächer als trocken und wenig relevant empfunden werden.
Susanne Lettner: Und wie war das bei Ihnen selbst? Wie gut oder auch weniger gut waren Sie in Mathe, Physik, Chemie & Co.?
MINT-Bildung war Teil meiner Schulausbildung am Dr.-Johanna-Decker-Gymnasium Amberg und meine Lehrer*innen ermutigten uns, unseren Interessen zu folgen, kritisch zu denken und unsere Neugierde zu entfachen. Gerade da es eine Schule für Mädchen ist, wurden wir darin bestärkt, informierte und engagierte Weltbürgerinnen zu werden, die sich jedes Berufsfeld aussuchen können – es gibt nichts, was uns im Weg stehen sollte, z.B. Geschlechterstereotypen.
Das war ein gutes Umfeld für Mädchen, um zu lernen, zu wachsen und sich zu entwickeln. Daran maßgeblich beteiligt war das Engagement unserer Lehrer*innen und der Schulleitung. Daher freut es mich, dass meine ehemalige Schule unsere Signets „MINT-freundliche Schule” und „Digitale Schule” trägt, welche wir von „MINT Zukunft schaffen!” vergeben.
Als Schülerin fand ich besonders Chemie und Biologie interessant und habe auch Chemie als drittes Abi-Prüfungsfach belegt. Mathe und Physik zählten aber nicht unbedingt zu meinen Lieblingsfächern.
Susanne Lettner: Wie kam es dazu, dass Sie sich ehrenamtlich schon seit 2016 als MINT-Botschafterin engagieren?
Durch meinen ersten Arbeitgeber Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT kam ich zum MINT-Bereich und habe hier als Marketing- und Eventmanagerin angefangen. Die Forschungsprojekte der Wissenschaftler*innen und Ingenieur*innen fand ich sehr spannend, denn ich interessiere mich für neue Technologien. Es hat mir Spaß gemacht, durch Marketing und Kommunikation ihre Projekte sichtbar zu machen.
Außerdem war ich bei Fraunhofer UMSICHT für das Personalmarketing zuständig und habe für Schüler*innen und Studierenden MINT-Events durchgeführt. Gerade die Vermittlung von MINT an junge Menschen hat mir sehr gefallen, sodass ich mich seit April 2016 als MINT-Botschafterin auch ehrenamtlich dafür einsetze, die MINT-Begeisterung bei Jugendlichen zu wecken und dies von mir ein Herzensprojekt wurde. Durch mein persönliches MINT-Engagement versuche ich, junge Menschen, insbesondere Mädchen und junge Frauen zu ermutigen, sich für den MINT-Bereich zu entscheiden.
Susanne Lettner: Warum ist im Jahr 2024 eine Karriere in einem MINT-Beruf genau das Richtige für Mädchen? Und natürlich auch für Jungs.
Eine MINT-Karriere bietet sowohl für Mädchen als auch für Jungs zahlreiche Vorteile. Es ist ein Bereich, der ständig im Wandel ist, in dem man seine eigenen Ideen umsetzen und die Welt mitgestalten kann. Stichwort Digitale Transformation: Die Welt wird immer digitaler. In fast allen Branchen werden Fachkräfte mit MINT-Kenntnissen benötigt, um innovative Lösungen zu entwickeln und umzusetzen.
Auch das Thema Nachhaltigkeit spielt mit ein: Die Suche nach nachhaltigen Lösungen für Umweltprobleme erfordert Experten aus den MINT-Bereichen. Und Künstliche Intelligenz braucht MINT-Ausgebildete: Die Entwicklung von KI und maschinellem Lernen eröffnet ganz neue Möglichkeiten und erfordert hochqualifizierte Fachkräfte.
Es gibt im MINT-Bereich damit vielfältige Berufsfelder wie Forschung und Entwicklung, Technologie, Ingenieurwesen, Medizin und Biotechnologie. Und obendrauf attraktive Arbeitsbedingungen wie eine hohe Nachfrage nach MINT-Fachkräften, flexible Arbeitsmodelle und gute Karrierechancen.
Susanne Lettner: Wie „MINT-freundlich“ ist eigentlich die Oberpfalz, wenn’s um die Förderung junger Menschen geht?
Die MINT-Förderung junger Menschen sieht in unserer Region zum Glück positiv aus. Denn zweimal im Jahr gibt unser Partner, das Institut der Deutschen Wirtschaft Köln, den MINT-Report heraus. Hier ist die Oberpfalz z.B. in Frauen in MINT-Berufen unter den Top 10, sowie auch in der Kategorie MINT-Beschäftigte in der M+E-Industrie (Metall+Elektro).
Einige Schulen in der Oberpfalz haben sich bereits mit unseren beiden Siegeln als „MINT-freundliche Schulen“ und „Digitale Schulen“ zertifizieren lassen und bieten ihren Schülerinnen und Schülern besondere MINT-Förderprogramme an und gestalten den Unterricht attraktiver, um die Schülerinnen und Schüler auf die digitale Welt vorzubereiten.
Es gibt verschiedene Initiativen und Projekte, die sich der MINT-Förderung widmen, wie beispielsweise Schülerlabore, Wettbewerbe oder Ferienprogramme. Und viele Schulen arbeiten eng mit Unternehmen aus der Region zusammen, um den Schülerinnen und Schülern einen Einblick in die Berufswelt zu geben und Praktikumsplätze zu vermitteln.
Susanne Lettner: Wie können zum Beispiel Unternehmen aktuelle und künftige Azubis für ihre MINT-Karrieren bestmöglich unterstützen?
Die Förderung von Azubis in MINT-Berufen ist ein wichtiger Schritt, um den Fachkräftemangel zu bekämpfen und die Innovationskraft von Unternehmen zu stärken. Das fängt an mit attraktiven Ausbildungsplätzen: Azubis sollten frühzeitig in verschiedene Bereiche des Unternehmens eingebunden werden und vielfältige Aufgaben übernehmen.
Die theoretischen Inhalte sollten stets mit praktischen Aufgaben verknüpft werden, um das Gelernte zu vertiefen. Auch kann ein erfahrener Mitarbeiter als Mentor den Azubis als Ansprechpartner zur Seite gestellt werden, um sie bei ihrer Entwicklung zu unterstützen.
Und es geht weiter mit der Förderung der individuellen Entwicklung durch das Angebot an Fortbildungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten und dem Aufzeigen von Karriereperspektiven. Auch hilft es, wenn Unternehmen Innovation und Kreativität ihrer Azubis fördern, wie durch Ideenmanagement, Projektarbeit und Wettbewerbe.
Susanne Lettner: Gibt es derzeit Berufe, die voll im Trend liegen und die auch in Zukunft eine extrem wichtige Rolle spielen werden?
Die Arbeitswelt ist im ständigen Wandel und einige Berufe sind derzeit besonders gefragt und werden auch in Zukunft eine entscheidende Rolle spielen. Das sind Digitale Berufe wie Softwareentwickler, Data Scientist, IT-Sicherheitsexperten und Cloud-Architekten. Oder Grüne Berufe wie Ingenieure für erneuerbare Energien, Umwelttechniker und Nachhaltigkeitsmanager. Aber auch Berufe im Gesundheitswesen wie Medizinische Fachberufe und Biotechnologen - und Kreative Berufe wie UX/UI Designer.
Die Arbeitswelt bietet viele spannende Möglichkeiten für junge Menschen. Wer sich für Technik, Naturwissenschaften, Gesundheit oder Kreativität interessiert, findet in den genannten Bereichen zahlreiche attraktive Berufsfelder. Es lohnt sich, sich frühzeitig mit diesen Themen auseinanderzusetzen und die eigenen Interessen zu entdecken.
Susanne Lettner: Jetzt noch eine Frage, die angehende Azubis natürlich auch immer interessiert: Was kann man in MINT-Berufen verdienen?
Das ist eine gute Frage, die viele angehende Azubis umtreibt. Das Gehalt in MINT-Berufen ist in der Regel überdurchschnittlich und hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie vom Beruf: Ingenieure, IT-Spezialisten oder Naturwissenschaftler können beispielsweise unterschiedliche Einkommen erzielen.
Die Branche, in der man tätig ist (z.B. Automobilindustrie, Pharma, IT), spielt ebenfalls eine Rolle. Und Erfahrung: Mit zunehmender Berufserfahrung steigen in der Regel auch die Gehälter.
Fachkräfte in MINT-Berufen sind sehr gefragt, da sie für viele Unternehmen unverzichtbar sind. Und MINT-Berufe erfordern oft eine hohe Spezialisierung und Weiterbildung, die entsprechend honoriert wird. Denn MINT-Fachkräfte sind oft an der Entwicklung neuer Produkte und Technologien beteiligt und treiben damit die Innovation voran. Und neben einem guten Gehalt bieten MINT-Berufe oft weitere Vorteile wie interessante Aufgaben, gute Zukunftsaussichten und internationale Karrierechancen.
Susanne Lettner: Und wie schaut’s dann nach einer Ausbildung in Sachen Weiterbildung aus?
Die Weiterbildungsmöglichkeiten nach einer MINT-Ausbildung sind vielfältig und bieten gute Chancen zur beruflichen Weiterentwicklung. Die technologische Entwicklung schreitet rasant voran – um im Berufsleben auf dem neuesten Stand zu bleiben und sich für höhere Positionen zu qualifizieren, ist kontinuierliche Weiterbildung also unerlässlich.
Dafür gibt es unterschiedliche Weiterbildungsmöglichkeiten wie fachspezifische Weiterbildungen (Zusatzqualifikationen, Fachübergreifende Kenntnisse), ein Studium, Zertifizierungen, Online-Kurse (flexible Lernformate, vielfältige Themen) und meist auch Weiterbildungsangebote der Arbeitgeber (Inhouse-Schulungen oder Förderung externer Weiterbildungen).
Die Weiterbildungsmöglichkeiten nach einer MINT-Ausbildung sind vielfältig. Es lohnt sich, frühzeitig über die eigenen Weiterbildungsziele nachzudenken und sich aktiv um entsprechende Angebote zu kümmern.