Sichtbarkeit, Toleranz, Gleichberechtigung … All das sind Wörter, für die „equality Oberpfalz“ einstehen möchte. Queere Personengruppen unterstützen und motivieren: Das ist die tägliche Arbeit für den Weidener Verein.
Im Interview berichtet Vorstand Liam Hentschel zusammen mit dem Vereinsmitglied Johannes Kett von den Schwierigkeiten, mit denen die queere Community zu kämpfen hat.
Wie seid ihr zu „equality Oberpfalz” gekommen?
Liam: Ein Freund hat mich Ende 201 zum Stammtisch mitgenommen und mich mit ins Boot geholt. Nachdem ich dann immer zu allem einfach „Ja“ gesagt habe, bin ich heute Vorstand (lacht).
Johannes: Ich habe von der Gründungsversammlung auf Facebook gelesen und bin dann einfach 2020 gemeinsam mit meinem Mann zu e Stammtisch gegangen. Ich bin aber nur Mitglied. Manche sind engagierter so wie Liam, und andere aus zeitlichen Gründen, so wie ich, weniger – denn ich arbeite noch im Finanzministerium und bin dazu in Theisseil Bürgermeister.
Wofür engagiert sich der Verein?
Liam: Ursprünglich wurde „equality Oberpfalz“ mit dem Grundgedanke gegründet, in der Oberpfalz Christopher Street Days zu veranstalten. war aber kurz vor der Pandemie. Daraufhin wurden ewig keine CSDs abgehalten – somit haben wir den Fokus verlegt und Stammtische veranstaltet. Die Stammtische finden aber mittlerweile nicht mehr statt. Zwischenzeitlich haben wir uns auf queere Jugendarbeit eingeschossen. Da ist Bedarf bei der kompletten LGBT -Community da – vor allem bei den Transjugendlichen. Unsere Jugendgruppe ist zu 90 Prozent transident. Die haben oft familiäre und schulische Probleme und generell viele Fragen. Wir bekommen auch viele Anfragen von öffentlichen Einrichtungen um Jugendliche für das Thema zu sensibilisieren. 2022 fand dann der erste CSD in Neustadt an der Waldnaab statt. Für uns war es ein großer Erfolg, dass viele Jugendliche teilgenommen haben – wir haben sie abgeholt.
Die Jugendgruppe „Equaliteens“ trifft sich regelmäßig ...
Liam: ... ja, wir treffen uns jeweils am letzten Freitag im Monat ab 16 Uhr PlanB in Weiden und sind immer so durchschnittlich 10 bis 15 Leute – in den Ferien kann es auch mal passieren, dass keiner kommt. Ich frag hier vorher immer in einer WhatsApp-Gruppe nach. Auch, auf was die Jugendlichen Bock haben. Wir machen zum Beispiel mit dem Jugendforum Workshops wie „Prepare for CSD“, Schminkschulungen um seine Gesichtszüge geschlechtsspezifisch zu unterstützen oder Workshops zum Thema Trans, also wie man beispielsweise gewisse Produkte wie Transtape richtig verwendet. Wir wollen einfach Wissen mit auf den Weg geben. Es werden auch Spieleabende oder Halloween- und Weihnachtspartys veranstaltet. Und wir gehen zusammen schwimmen. Viele haben ein sehr negatives Körpereigengefühl – da ist man in der Gruppe glücklicher.
Ist euer Angebot vertraulich und ein Safe Space für die queeren Jugendlichen?
Liam: Ja, definitiv! Wir haben auch außerhalb der regulären Öffnungszeiten offen, und da passiert es öfter, dass andere Jugendliche kommen und fragen, ob wir offen haben, weil sie einen Kumpel suchen. Die Leute schicken wir aber weg, wenn sie nicht für „Equaliteens“ da sind. Es wird ein Safe Space garantiert.
Ihr habt den Michael-Schmidpeter-Preis bekommen. Wofür und was bedeutet er?
Liam: Der Preis steht für queere Sichtbarkeit – vor allem an Schulen. 200 hat der 17-jährige Michael Schmidpeter auf Grund schulischer Probleme nach seinem Outing Selbstmord begangen. Sein Vater hat daraufhin den Verein ins Leben gerufen. Wir haben den Preis für die Arbeit mit der Jugendgruppe bekommen. Also für unsere Vorträge, Beratungsgespräche, Aktionstage an Schulen und alles, was die Jugendarbeit betrifft.
Glaubt ihr, dass es in ein Großstadt einfacher wäre queer zu sein?
Liam: Auf jeden Fall. Ich glaube, du die Masse hast du auch mehr Anonymität, und auch die Mitmensch sind vielfältiger. Die Oberpfalz ist ei schwieriges Pflaster. Man sticht schnell raus, und es spricht sich alles sofort rum. Zudem muss man immer aufpassen und darf nichts Falsches sage oder machen. Eine meiner früheren Dozentinnen aus dem ländlichen Rau hat täglich Storys erzählt, was ihr wieder passiert ist – beispielsweise Reifen aufschlitzen. Es ist immer schön, wenn Leute sagen, sie hatten nie Probleme. Darüber bin ich froh, weil es auch anders aussehen kann.
Johannes: Was Neues oder Veränderungen aufzubauen ist in der Nordoberpfalz schwieriger. Aber der Erfolg der Jugendgruppe zeigt, dass das Interesse da ist. Als Bürgermeister war meine Homosexualität aber nie ein Thema. Ich wurde positiv aufgenommen – vom Kollegenkreis und den Bürgern. Das Schwierige ist die Sichtbarkeit.
Was muss in der Oberpfalz passieren, damit es die queere Community besser hat?
Liam: Die nächste Generation muss mit mehr Verständnis großgezogen werden. Man muss an die Schulen gehen. Und es wird auch schon viel Online gemacht – beispielsweise bei Netflix. Da passiert unglaublich viel.
Johannes: Die Selbstverständlichkeit muss da sein, dass es noch eine andere Welt gibt.
Hat sich in Sachen Akzeptanz und Sichtbarkeit für Queer-Menschen hier in den letzten Jahren was getan?
Liam: Ja, erstmal hat sich in den letzten Jahren viel getan. Aber die erfassten Gewalttaten – davon gibt es ja viele – steigen leider wieder. Es gab eine Zeit, zu der es besser wurde, aber jetzt wird es wieder schlechter. Auch innerhalb der Community ist viel Unruhe. Viel ältere Homosexuelle sticheln gegen die Trans-Community.
Johannes: Die Toleranz gegenüber gleichgeschlechtlicher Liebe hat sich deutlich verbessert, die Akzeptanz ist aber ausbaufähig. Sichtbarkeit würde ich sagen, ist in der Nordoberpfalz nicht gegeben. Die Community will inkognito leben. Das wissen dann nur Freunde oder Arbeitskollegen. Partys setzen sich hier auch nicht so durch – da wird eher in Großstädten weggegangen.
Was können Queer-Menschen tun, wenn sie sich einsam fühlen und Hilfe brauchen?
Liam: Sie können sich bei uns melden, und dann schauen wir, was sich ergibt. Wenn wir viele Menschen haben, die älter sind als unsere Jugendgruppe, dann können wir gucken, dass wir wieder einen Stammtisch starten – der alte hat sich irgendwann verlaufen, eine Sportgruppe, oder eher etwas Gemütliches. Wir richten uns nach der Nachfrage.
Johannes, du bist homosexuell und mit einem Mann verheiratet. Magst du wie dein Outing für dich war?
Johannes: Ich habe mich 2009 mi 24 Jahren geoutet. Da war erst mal eine Unsicherheit: Wie kommt das bei den Eltern, Geschwistern und Freunde an? Aber letztendlich ist das Leben al schwuler Mann immer mit einem Outing verbunden. Man hat immer Situationen, in denen man sagt, man ist m einem Mann verheiratet. Das ist jedes Mal wieder ein Outing und ein dauernder Prozess im Leben. So wie m selbst Zeit braucht, seine Persönlichkeit und Identität zu finden, so muss man auch den anderen Zeit geben. Wenn dann die Eltern oder Freunde das erste Mal mit dem Thema gleichgeschlechtlicher Liebe oder auch trans* zu tun haben, müssen sie sich selbst erst mal damit auseinandersetzen. Aber ich hatte glücklicherweise nie Schwierigkeiten damit. Man darf sich auch von niemanden drängen lassen. Es muss ein Selbstverständlichkeit geschaffen werden, dass man sich nicht outen muss. Ein Heterosexueller wird auch nicht gefragt, seit wann er hetero ist. Warum müssen sich Homosexuelle rechtfertigen, warum sie gleichgeschlechtlich lieben? Wir wollen Akzeptanz und Toleranz, damit man sich gar nicht mehr Outen muss. Dann ist das Ziel, dass es unseren Verein nicht mehr braucht. Aber das ist ein Thema für die nächsten 30, 40 oder 50 Jahre. Das hört in der heteronormativ geprägten Welt nie auf.
Liam, du kannst den Jugendlichen aus erster Hand helfen. Wie war dein Outing und was kannst du für Tipps geben?
Liam: Ja, zum Thema Transidentität und aus meinem früheren Leben zur Homosexualität als lesbische Frau. Ich h vor sechs Jahren den Weg der Transition begonnen. Transpersonen ziehen sich am Anfang stark zurück, weil es eine Zeit gibt, in der man ihnen den Weg ansieht. Und auch ich hab mic vielen Situationen bewusst nicht ausgesetzt. Ich bin also beispielsweise nicht ins Gym, weil ich mich dann nicht zeigen oder für eine Toilette entscheiden musste. Dadurch, dass ich immer schon ein maskulines Auftreten hatte, hatte ich schon immer ein Problem auf Frauentoiletten. Vor meiner Transition habe ich also bewusst auf Toiletten geredet, damit die anderen Frauen wussten, dass ich eine Frau bin und mich nicht blöd angucken. Da gab es auch mal richtig Ärger am Münchner Bahnhof, weil mir eine Frau nicht glauben wollte, dass ich aufs Frauenklo gehöre. Jetzt ist es entspannter. Vielleicht ist das aber auch ein geschlechtsspezifisches Ding. Männer werden eher weniger angegriffen. Aber ich bekomme auch privat mit, wie viele Gewalttaten gegenüber Transfrauen passieren – auch hier in der Oberpfalz. Das ist beängstigend.
Auf der Arbeit als Mediengestalter hatte ich nie Probleme – das war immer mein Anker. Nur Zuhause war es ein bisschen schwierig. Unter der Oberfläche ha man gesehen, es gibt Probleme. Aber man muss den Leuten Zeit einräumen Meine Mama hat wahrscheinlich drei Jahre gebraucht, um meinen Namen richtig zu sagen. Und auch einer Kollegin musste ich erst einmal alles erklären – auch wie ich genannt werden möchte. Danach war es aber in Ordnung Wichtig ist einfach, dass jeder sein Outing selbst gestaltet – und dass klar ist, dass es kein Muss ist.