Der Winter ist da. Die Tage sind kurz, der Himmel grau, die Temperaturen – unterirdisch. Zumindest für mein Verständnis. Doch nicht nur die Natur zeigt sich von ihrer rauen Seite.
Zunehmend wirken auch etliche von uns mit jedem sinkenden Grad kälter. Distanzierter. Gestresster. Auch ich kenne dieses Gefühl. Dir geht es ähnlich? Dann sollten wir dringend etwas ändern und mehr Freundlichkeit in den Winter bringen.
Wir erleben es täglich: gereizte Autofahrer, die hupend durch verstopfte Straßen drängeln. Menschen, die an der Supermarktkasse den Unmut über den scheinbar zu langsamen Kassierer abladen. Nachbarn, die uns aufgeregt an der Haustür empfangen, weil das Treppenhaus nicht perfekt gewischt ist. Situationen, die im Sommer oft nicht der Rede wert wären, die Gemüter im Winter aber zum Überkochen bringen. Warum ist das so? Warum sind wir im Winter so schlecht gelaunt? Der Winter stellt uns vor große Herausforderungen: Die Dunkelheit schlägt auf die Stimmung, denn unser Körper produziert weniger Serotonin, das sogenannte Glückshormon. Gleichzeitig steigt der Melatoninspiegel, der uns müde und antriebslos macht. Hinzu kommt der Stress der Vorweihnachtszeit mit überfüllten Einkaufszentren und einem vollgepackten Terminkalender. Die Kälte tut ihr Übriges. Denn sind wir mal ehrlich: Wenn wir uns frierend durch den Alltag quälen, haben wir nur noch selten die Muse, freundlich zu sein. Doch gerade aktuell wäre das wichtiger denn je – nicht nur für unser Gegenüber, das den Frust oft abbekommt, sondern auch für uns selbst.
Auch ich merke, dass mir das permanente Grau am Himmel und die Kälte zu schaffen machen. Die Folge: Die Laune sinkt, die Zündschnur wird kurz – wie ich vor Kurzem mit Erschrecken feststellen musste. Die Situation: Ich stehe am Ende einer langen Ampelschlange und blockiere die Ausfahrt eines Hauses. Mein Fehler, aber es ist dunkel und ich habe sie schlicht nicht gesehen. Wenige Augenblicke später sehe ich, dass ein Auto aus dem Innenhof herausfahren will. Wunderbar. Ich erkenne eine Frau im Auto, sie schaut ernst, ihr Blick ist auf mich gerichtet. Ich lege den Rückwärtsgang ein und fahre ein Stück zurück, darauf vorbereitet, dass sie mir gleich entgegenschimpfen wird. Ich bin bereit, das Gleiche zu tun. Aber nein. Als sie ihren Hof verlässt, lacht sie mich an und bedankt sich winkend. Ich bin überrascht – und erschrocken von meiner eigenen Einstellung. Warum bin ich davon ausgegangen, dass sie wütend über die Situation ist? Wäre ich es gewesen? Noch lange beschäftigt mich diese Situation. Und vielmehr: meine Gedanken.
Einige Tage später bin ich im Supermarkt. Aus den geplanten drei Teilen sind mal wieder elf geworden. Ich habe die Hände voll. So voll, dass sich drei der Teile kurze Zeit später auf den Boden verabschieden. Ich ärgere mich. Aufheben kann ich sie nicht. Eine falsche Bewegung und auch der Rest würde unten liegen. Dann höre ich: „Moment, ich helfe Ihnen.“ Ich blicke auf und sehe eine Frau, die durch den Gang läuft, meine Einkäufe aufhebt und sorgfältig auf meinen Stapel platziert. Dann lächelt sie. Ich bin kurz perplex – und freue mich über diese unerwartete Freundlichkeit. Eine Geste, die noch so lange in mir nachwirkt, dass ich beschließe: Dieses Gefühl will auch anderen auch geben. Ein nettes Wort, ein Lächeln, eine kleine Geste – all das kann den Alltag für unser Umfeld, aber auch für uns selbst so viel schöner machen. Psychologische Studien zeigen, dass Freundlichkeit nicht nur die Beziehung zu anderen stärkt, sondern auch unser eigenes Wohlbefinden steigert. Das ist doch einen Versuch wert, nicht wahr?
Es braucht keine großen Taten, um einen Unterschied zu machen. Ein Parkticket weitergeben, auf dem noch Restparkzeit ist, jemanden an der Supermarktkasse vorlassen, der nur einen Kaugummi und eine Flasche Wasser kaufen will, ein Lächeln. Rücksichtsvoll sein. Hilfsbereit. Ich bin überzeugt, dass Freundlichkeit wie ein Boomerang wirkt: Was wir aussenden, das kommt zu uns zurück. Natürlich ist niemand von uns immer gut gelaunt. Es gibt Tage, an denen wir am liebsten in Ruhe gelassen werden möchten. Doch genau in diesen Momenten lohnt es sich, über seinen Schatten zu springen. Jeder von uns hat die Möglichkeit, das Leben anderer ein kleines bisschen besser zu machen – und unser eigenes auch.