Hannes ist verspielt, hat Charme und rettet Leben. Als „italienisches Windspiel“ ist er das einzige Leben rettende Windspiel in Deutschland. Denn er ist ausgebildeter Rettungshund und mit Hundeführerin Stephanie bei der Flächensuche aktiv.
„Hannes ist zum einen ein Kasper, ein Clown. Zum anderen kann ich mich voll auf ihn verlassen. Er ist ein total Lieber und kann mit seinem italienischen Charme jeden um den Finger wickeln“, beschreibt Hundeführerin Stephanie Schüler ihren Windhund. „Hannes ist einfach Hannes und jeder, der ihn kennt, kann das so bestätigen.“
Dass Hannes ein Teil von Stephanies Rudel wird, das bis dahin aus vier Hunden bestand, war nie geplant. „Die Züchterin, meine frühere Tierärztin und Trauzeugin, fragte mich, ob ich die Geburt miterleben möchte. Als gelernte Krankenschwester hat mich das einfach interessiert“, erzählt sie. Am 20. Februar 2020 war es so weit und Stephanie war bei der Geburt live dabei: „Hannes hatte Fruchtwasser geschluckt und sich anfangs nicht bewegt.“ Nach etwas Hilfe der Tierärztin hat er dann doch irgendwann einen Schrei losgelassen. „Das war ein absolut verrücktes Erlebnis – und ich war Teil davon“, blickt sie zurück. Dabei ist Hannes Geburtsdatum für sein Frauchen, das an einer Hirnzellen angreifenden Auto-Immunkrankheit leidet, kein unbekanntes: „Sein Geburtstag ist der Welthirnentzündungstag. Noch dazu hat sich Hannes so ins Leben gekämpft, da war mir schnell klar, dass ich ihn zu mir holen muss.“
„Italienische Windspiele“ wie Hannes sind mit ihren 3,5 bis 4,5 Kilogramm die kleinste Unterrasse der Windhunde, was sie perfekt als Schoß- oder Handtaschenhund auszeichnet. Aber nicht Hannes: „Er war bei seiner Geburt schon ein Klops im Vergleich zu seinen drei Geschwistern,“ erzählt Stephanie und lacht. Nun wiegt er mit seinen vier Jahren zehn Kilogramm und liegt damit um Einiges über dem Durchschnitt.
Windhunde sind Jagdhunde, sogenannte Sichthunde und am liebsten auf Rennbahnen unterwegs. „Hannes hat aber keinen ausgeprägten Jagdtrieb“, erzählt Stephanie. „Bei uns gibt es auch keine Rennbahnen, und die Hundeschule fand Hannes absolut ätzend. Deshalb habe ich etwas anderes gesucht, um Hannes auszulasten“, erklärt die Parksteinerin. So wurde Stephanie auf die BRK Rettungshundestaffel in Weiden aufmerksam und war als frühere Krankenschwester direkt Feuer und Flamme. „Da ich durch meine Autoimmun-Krankheit Rentnerin war, fand ich das Thema Ehrenamt auch sehr interessant. Ich habe mich zunächst auf der Webseite informiert und anschließend angefragt, ob ein Windhund auch Flächensuchhund werden kann.“ Und so besuchte Stephanie mit dem damals acht Monate alten Hannes das erste Training.
Bei der Flächensuche wird ein großes, unwegsames und unübersichtliches Gelände in relativ kurzer Zeit beispielsweise nach verirrten Demenzkranken, Schockopfern von Unfällen, Suizidgefährdeten oder verlorengegangenen Pilzsammlern abgesucht. Dabei durchstöbert der Flächensuchhund zusammen mit seinem Hundeführer und einem weiteren Helfer die zugewiesenen Gebiete wie beispielsweise Waldstücke oder auch Parkanlagen nach menschlichen Gerüchen ab. Hat der Rettungshund die vermisste Person gefunden, bellt er so lange und anhaltend, bis sein Hundeführer bei ihm ist. Dabei darf er den Menschen nicht berühren oder belästigen. Der Hundeführer fungiert dann als Ersthelfer. „Unsere Hunde suchen nur lebende Personen. Aber da weiß man trotzdem nie, was man vorfindet. Wir Helfer werden zum Beispiel auch auf Knochenbrüche oder Vergiftung geschult“, erzählt Stephanie.
Zunächst müssen beide Seiten eine halbjährige Probezeit bestehen. Dabei wird geprüft, ob Hund, Hundeführer und Team zusammenpassen. „Die Rettungshundestaffel wird durch Spenden finanziert und die Ausbildung kostet auch viel Geld. Deshalb wird erst mal geguckt, ob alle zusammenpassen“, erklärt die 41-jährige Stephanie. „Wir haben die Probezeit bestanden.“ Und somit fing die über drei Jahre dauernde Ausbildung zum Flächensuchhund für Hannes und Stephanie als Hundeführerin an.
Eigentlich sind Windhunde nicht als Flächensuchhund geeignet: Sie jagen gerne, bellen jedoch nicht, sind zu klein, mögen keine Kälte und Nässe und sind auch nicht gehorsam, was bei den Unterordnungsübungen schwierig ist. Aber Hannes ist anders als die anderen. Durch seinen fehlenden Jagdsinn und seine überdurchschnittliche Größe ist Hannes überhaupt erst als Flächensuchhund geeignet. Zudem ist er dennoch verhältnismäßig leicht und hat viel Ausdauer. „Bei extremer Kälte bekommt er eine dünne Jacke angezogen, nach dem Einsatz darf er auf eine Heizdecke im Auto und bekommt warmes Wasser. Und das Bellen konnten wir ihm ganz gut beibringen“, erzählt Stephanie. Gleichzeitig bilden sie und Hannes ein super Team – beide überzeugen mit ihrem Arbeits- und Lernwillen. „Wir mussten beim Training schon ein paar Sachen anpassen. Zum Beispiel wurden die Menschen, bevor sie sich versteckt haben, weiter weg gesetzt, damit bei Hannes der Jagdtrieb nicht doch einsetzt“, sagt die Hundeführerin.
Aktuell trainieren Stephanie und Hannes drei mal wöchentlich. Die Übung am Wochenende ist dabei besonders lang: „Da sind wir im Wald und trainieren Kondition und Suchausdauer – wir suchen hier große Gebiete ab.“ Dabei lernen die Hunde, die vermissten Personen nicht zu belästigen, sie üben die Anzeigeprüfung, Gerätetraining und die für die Prüfung wichtige Unterordnung. „Außerdem muss alles, was mir machen, zur Routine werden. Auch wenn ein Einsatz im Endeffekt nie routiniert sein wird. Aber wenn man regelmäßig trainiert, hilft es, das im Ernstfall abzurufen und abzuarbeiten – für Hannes und für mich“, erklärt Stephanie. Dazu zählt das GPS-Gerät einzuschalten, Hannes Kenndecke mit Licht und Glocke anzuziehen, mit Vermissten umzugehen, ... „Wir Hundeführer lernen auch Erste Hilfe. Außerdem üben wir uns im Wald im Dunkeln zu orientieren – das funktioniert vor allem abends im Winter gut.“ Gleichzeitig dürfen die Hunde keine Angst haben – beispielsweise vor Motorsägen, Hubschraubern und Rettungswägen. „Sie müssen Tumult ertragen und auch mal länger im Auto warten können. Es wird schon viel von einem Rettungshund verlangt“, erklärt die Hundeführerin. Geübt wird dabei meist im Raum Weiden, Vohenstrauß, Störnstein oder Windischeschenbach. „Natürlich muss man dann daheim auch mal trainieren. Hannes musste ich zum Beispiel das Bellen beibringen – er war in dem Fall kein Selbstläufer.“ Auch das Niederlassen auf einer feuchten Wiese war anfangs schwer für das italienische Windspiel. „Aber für mich hat er es dann doch irgendwann gemacht“, sagt Stephanie und lacht.
Bei einem solch harten Training sind regelmäßige Ruhepausen umso wichtiger. „Wir haben keine Kinder, deshalb ist es daheim immer eher ruhig. Das ist für unsere Hunde ein großer Vorteil“, erzählt Stephanie, die gemeinsam mit ihrem Mann in einem Haus wohnt. „An manchen Tagen passiert dann außer Spazieren gehen auch nichts weiter. Die Ruhezeiten sind einfach wichtig – und ins Training zu gehen ist immer was besonderes und macht Hannes somit auch Spaß.“
Am 21. Oktober im vergangenen Jahr war es dann soweit: Hannes und Frauchen Stephanie traten die Prüfung zum Flächensuchhund in Cham an und bestanden sie mit Bestnoten. „Das war schon unsere zweite Prüfung. Die erste haben wir leider wegen zwei Minuten bei der Suche der zweiten Versteckperson verfehlt“, erzählt Stephanie, die zunächst enttäuscht war. „Aber das zusätzliche halbe Jahre hat uns viel gebracht und die zweite Prüfung war dann umso besser.“
Bei der Prüfung zum Flächensuchhund müssen verschiedene Aufgaben bestanden werden:
Und weil Stephanie nicht Stephanie wäre, wenn sie sich auf den aktuellen Zustand ausruhen würde, absolviert sie nun mit Hannes die Ausbildung zum Trümmersuchhund. Diese Hunde kommen etwa bei Erdbeben, Gasexplosionen oder Überschwemmungen zum Einsatz. „Die Trümmersuche ist die schwierigste Aufgabe in der Rettungshund-Ausbildung. Zudem gibt es in Deutschland und vor allem Bayern nicht viele Trümmersuchhunde. Die Hunde müssen Personen unter meterdicken Schichten finden“, erklärt Stephanie. „Hier ist bei Hannes sein Fliegengewicht von Vorteil.“ Außerdem sei er geländegängig und trittsicher. „Zusammengebrochener Beton zum Beispiel ist extrem instabil.“
Diese Ausbildung bedarf nochmal mehr Übung: „Daheim trainieren wir seine Gewandtheit – ein Teil der Prüfung ist, dass der Hund über eine Leiter, wacklige Brücke oder durch einen Tunnel muss“, sagt die Hundeführerin. Spezielles Trümmertraining absolvieren die beiden in einem alten Werk in Maxhütte-Haidhof, am alten Bahnhof in Weiden oder auf einem extra dafür hergerichteten Trümmergelände in Garching bei München. „Ansonsten kann man das Szenario auch gut im Wald üben, wenn man die versteckte Person ordentlich einbaut. Der Hund lernt dann weiter reinzugehen und sich durchzuarbeiten.“
„Die Rettungshundestaffel ist für mich eine Herzensangelegenheit. Wir machen das alle ehrenamtlich und sind auf Spenden angewiesen“, erzählt Stephanie. Dabei hebt sie zudem hervor, dass Interessierte mit ihren Hunden immerzu bei der Staffel oder im Probetraining
willkommen sind. „Man muss nur Zeit mitbringen. Das ist ein Ehrenamt, bei dem man sehr viele Stunden im Wald verbringt. Man arbeitet dabei nicht nur mit seinem Hund, sondern versteckt sich auch mal für die Suchübung eines anderen Hundes.”
Hunde, die für die Rettungsstaffel in Frage kommen, dürfen nicht menschenscheu sein. Sollten verfressen oder verspielt sein, damit man sie besser trainieren kann. Denn an der Versteckperson gibt es immer eine Belohnung. Außerdem sollten sie nicht zu klein oder leicht sein, keinen ausgeprägten Jagdtrieb haben und ausdauernd sein. Zudem müssen die Tiere arbeitsfreudig sein, da die Hundeführer ausschließlich mit Motivation und Selbstaktivierung arbeiten und die Hunde nicht in ein System drängen.
Alles was es zur Rettungshundestaffel zu wissen gibt sowie die Kontodaten für eine Spende findest du auf: rettungshundestaffel-weiden.de